Sonntag – Autobahn
Deutschland hält nicht mehr viele Abenteuer bereit, es sei denn man begibt sich am Sonntag auf die Autobahn, um z.B. seine Eltern zu besuchen. 11:00 Uhr, Außentemperatur bereits 20°C, zu warm für den deutschen Autofahrer. Allsonntäglich tritt der Deutsche den Beweis an, das er zwar das Auto, nicht aber das Autofahren erfunden hat.
Hamburg B5, Begrenzung auf 70 km/h, zwei Spuren. Grüner japanischer Kleinwagen, gepfegte Frau Anfang 50 wechselt unmotiviert mit 80 km/h (70 fährt hier eh keiner) auf die linke Spur. Diese Aktion kontert der Fahrer eines Opel Senator 3.0V6 (oder so) mit ca. 100 km/h durch ein Überholmanöver auf der rechten Spur, das ansatzlos ohne Blinken erfolgt. Alle übrigen Verkehrsteilnehmer werden souverän ausgebremst, der Opelfahrer beweist die natürliche Überlegenheit des Mannes am Steuer.
Ein guter Anfang, da ist noch was drin. A1, Baustelle Billstedt, Begrenzung auf 60 km/h, einer Geschwindigkeit, die der Deutsche auf einer Autobahn nicht akzeptiert. Ein Hinweis an die Straßenmeistereien: hier lassen sich Hundertausende von Steuergeldern sparen, indem Schilder mit Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 60 und 80 nicht mehr angeschafft werden.
In der 60er-Zone wird man flott überholt, allgemeine Richtgeschwindigkeit ist zwischen 90 und 100 km/h. Der Verkehr stockt zumindest nicht.
Hamburg Süd – langezogene Auffahrt Richtung Süden nach Stillhorn, wieder Begrenzung auf 80 km/h. Im Reisebus aus Stendal beweist der Profi des Kraftverkehrs, daß diese Kurve auch mit 100 km/h genommen werden kann und treibt die ungeübte Sonntagausflugsmeute vor sich her.
Sonntag ist der Tag, der für normale Fahrer noch einige Abenteuer bereihält. Zwei Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber: Gelegenheitsfahrer mit einer Jahreskilometerleistung von 500 km und Vollprofis, die auch noch mit 1,5 Promille das ihnen anvertraute Gefährt beherrschen. Diese interessante Mischung hält immerwieder Kabinettstückchen der deutschen Autofahrerkunst bereit.
Ursprüngliches Datum: 19.06.2005 22.06 Uhr