Spreeperle
wieder in Berlin, Fahrt zum Haus der Deutschen Wirtschaft. Vor der Rückfahrt noch etwas Zeit am Ostbahnhof. Sieht hier aus als hätte die Rote Armee erst vor eineinhalb Jahren nach zähem Ringen die Stadt im Häuserkampf erobert. Den Rest hat das neue Städtebaukonzept erledigt. Wo sind eigentlich die Milliarden für unsere gehätschelte Hauptstadt geblieben. Okay, der Anhalter Bahnhof sieht aus als sei er Speers Entwurf der Reichshauptstadt Germania entsprungen. Überhaupt alles eine Spur zu groß hier, paßt also prima zum Selbstverständnis der Stadt. Das (zu große) Kanzleramt, die Ministerien in einer städtebaulichen Wüstenei gelegen. Deutschland, vom Niemandsland aus regiert.
Dazu paßt die Geschichte der Currywurstbude in diesem Bermudadreieck der Stadtplanung. Günstig im Bereich zwischen Reichstag und Ministerien gelegen, erweckte es den Argwohn der Administration. Flugs ein eilendes Lebensmittelkontrolkommando vorbeigeschickt. Diese Zustände, dann keine Toiletten für die Gäste und Zack, weg mit der Konzession. Nun herrschte eine Weile Ruhe, bis einer unserer Hinterbankabgeordneten die Wurstbude vermißt. Gut, also muß die Bude wieder her. Der bisherige Betreiber ist ob der Schließung seiner Erwerbsquelle nun wahrscheinlich bei einem Existenzgründerseminar der IHK Berlin gelandet, die den Vorgang auch interessiert begleitete. Also machen wir mal eine Ausschreibung. Kein schlechtes Geschäftsmodell – Hechthausen und Kutenholz sei eine ähnliche Praxis bei der Vergabe von innerstädtischen Gewerbeflächen empfohlen. Sicherlich gibt es auch eine EU-Norm für den Betrieb von Currywurstbuden im Innenstadtbereich, die von der Bundesregierung kommagenau umgesetzt wurde, aber wie üblich sechs
Monate zu spät, was ein Bußgeld von 20 Millionen Euro nach sich zog.
Also überboten sich die „besten“ Wurstbräter aus dem Westen und Osten der Stadt für diese 1A-Lage. Auch der Mitbewerber, der gerne mal Schampus zur Wurst reicht, ja da zeigt sich die Weltläufigkeit von Berlin: „Mach mir mal zwei Currywurst, und stell’ noch ‘n Schampus zum Dippen hin!“ Der Gedanke an die Berliner Republik läßt mir Schauer über den Rücken laufen.