Wie zuhause …

Posted by Derek on November 22, 2014 in Der Pendler |

Der Tag beginnt schön. Diesig liegt der Morgentau in den Vorgärten und die Sonne scheint schon blaß durch den Hochnebel. Die S-Bahn-Haltestelle wird weiter renoviert – warum eigentlich? Sie war doch noch gar nicht richtig kaputt. Die S-Bahn rollt ein. Hier hört der Tag jäh auf, gut zu sein. Bei der Einfahrt sieht der Pendler schon, heute wird sein Lieblingsplatz von der Gattung „ich-benehme-mich überall-wie-zuhause“ bevölkert. Da steht er breit im letzten Sitzplatzabteil und wechselt während der Einfahrt des Zuges erstmal das Hemd. Hat wohl heute morgen nicht ganz gereicht. Von dem bisher reichlichen Platzangebot hat er auch regen Gebrauch gemacht. Der Lieblingssitzplatz des Pendlers, belegt durch eine Tasche und eine genüßlich ausgebreitete Kingsize-Schokolade. Der Platz zu seiner Rechten, Ruheort für einen Pilotenkoffer. Die breitbeinige Sitzhaltung und vorgebeugter Oberkörper suggerieren – hier fühle ich mich wohl. Der Pendler beschließt dieses Bild der anmutigen Zufriedenheit nicht durch die Frage: „Ob der Sitzplatz wohl frei ist?“ zu zerstören. Vielleicht ergibt sich ja noch die ein oder andere amüsante Begebenheit.

Abfahrt Richtung Bergedorf, jetzt erstmal stärken. Ein ordentlicher Brocken Schokolade wandert in den Mund. Vergnügt klatscht er sich auf die blaue, ballonseidene Hose. Dazu Trekkingsandaletten – extra groß, immerhin ohne Socken getragen. In Bergedorf füllt sich der Wagen, leider ist die Schattenmacherin heute nicht dabei, wäre eine interessante Begegnung geworden. Allermöhe, jetzt wird es voll. Die ersten Pendler stehen schon, nein, die Sitzplätze werden nicht gräumt. Niemand der zugestiegenen Fahrgäste spricht ihn an. Dickfälligkeit oder nicht alle Latten am Zaun. Ich entscheide mich für dickfällig, da ich gesehen habe, wie er mit seinem mp3-Player umgegangen ist. Sie, blond, Anfang 50 stürzt in den Zug. Der Blick schweift suchend umher. Die deutlich reduzierte Schokolade und das Täschchen markieren stoisch den Platz zur Linken, der Pilotenkoffer den zur Rechten. Die Frau stutzt, sagt aber kein Wort und verläßt den Wagen wieder. Türen schließen, Abfahrt. Die Frau bleibt auf dem Bahnsteig zurück – was war denn das für eine Übersprungsreaktion?

Ich vertiefe mich in den Heise-Artikel über Blogger, dabei entgeht mir wie das „Raumwunder“ seinen Platz nach und nach aufgibt.

Im Übrigen war das „Raumwunder“ ein Omen für einen kunterbunten Tag.

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